Der Duft der Rauhnächte

Kaum ein Brauch erinnert mich so an die stillen letzten Tage vor Weihnachten wie das Räuchern in der Thomasnacht, der traditionellen Einstimmung auf die Rauhnächte. Nicht weit entfernt von dem Haus in dem ich aufgewachsen bin, steht eine kleine Kapelle unter einem großen Kiefernbaum. Zu dieser bin ich damals zusammen mit meinem Großvater gegangen, um in der Kapelle zu räuchern. Meist waren es klirrend kalte Winternächte, die einzige Lichtquelle auf unserem Weg zur Anhöhe, auf der die Kapelle steht war eine Laterne. Dort angekommen wurde mit einem kleinen Rauchpfännchen, in welchem Weihrauch auf der heißen Kohle verglomm, geräuchert. Anschließend sind wir wieder zum Haus zurück und haben dort in allen Räumen geräuchert bis diese in dicken weißlichen Nebel gehüllt waren.
Heute, gut 15 Jahre später, versetzt mich der Duft von Weihrauch noch immer in diese Nächte zurück. Das Räuchern habe ich beibehalten, Freunde haben mir von ihren Reisen Räuchermischungen aus verschiedenen arabischen Staaten mitgebracht, welche ihre ganz eigenen Duftkompositionen haben. Räuchern ist ein nicht nur auf Europa beschränktes Ritual, so wird im arabischen Kulturkreis noch heute Kleidung durch Räuchern traditionell desinfiziert und von schlechten Gerüchen befreit. Indigene Völker Nordamerikas räucherten vor Zeremonien die Räume in denen sie stattfanden und die Menschen die daran teilnahmen um sie von schlechter Energie zu befreien. In Indien werden Räucherungen seit Jahrtausenden in hinduistischen Zeremonien und Ritualen als Opfer zu Ehren der Götter vorgenommen.
Dieser kleine Ausflug zeigt, dass der Beginn des Räucherns wohl schon auf den Beginn der ersten Zivilisationen zurückgeht und das gesammelte Wissen über Generationen weitergegeben wurde. So erkannten die Menschen immer mehr welche Pflanzen und Harze sich besonders gut zum Räuchern eignen. Durch die Kelten, die späteren germanischen Stämme und das Christentum wurde das Räuchern auch bei uns praktiziert und bis heute von Generation zu Generation fortgeführt. Heutzutage wird in katholischen Kirchen zu hohen Festen geräuchert, zu diesem Zweck wird die sogenannte „Kirchenmischung“ verwendet. Sie ist eine Weihrauchmischung aus Styrax, Myrrhe und anderen Harzen. Diese hohen Kirchenfeste sind nicht nur in der Vorweihnachtszeit. Genauso kann auch zu Hause zu jeder beliebigen Zeit, beispielsweise bei Todesfällen oder in der Grippezeit, geräuchert werden.
Hier in der Region räuchern viele Menschen in den Rauhnächten ihre Wohnräume oder auch die Ställe, in denen das Vieh untergebracht wird, um Altes und Schlechtes loszuwerden und Mensch und Tier zu segnen. Ganz bewusst wird hier der Zeitraum zwischen Weihnachten und den ersten Tagen des neuen Jahres gewählt, man will Altlasten loswerden und das neue Jahr gut beginnen. Die Räuchermischungen bestehen hier aus verschiedenen Kräutern wie beispielsweise Wacholder, Salbei, Fichtenharz, usw., als fester Bestandteil findet bei fast jedem der Weihrauch seinen Weg in das Räucherpfännchen.
Räuchern im Zeitraum von 24. Dezember bis 5. Jänner ist eine Mischung aus überliefertem mythologischem Brauchtum und religiösem Ritus, ein nicht seltenes Phänomen. Wörtlich wurde diese Zeit früher als „tote Tage“ bezeichnet, da sie die Differenz zwischen einem Mondjahr mit 354 Tagen und einem Sonnenjahr mit 365 Tagen darstellten. Somit schufen die Kelten 11 Schalttage und 12 Nächte die quasi nicht existierten. Dem Glauben nach waren die Gesetze der Natur in dieser Zeit ausgehebelt und die Tore zu einer anderen Welt würden offenstehen. So könnte man durch bewussten Umgang mit den Rauhnächten das kommende Jahr positiv beeinflussen, da jede Nacht symbolisch für jeweils einen Monat stünde.
Heute sind es nur 3 bzw. 4, je nachdem ob man die Thomasnacht auch mitzählt: • (Von 20. auf 21. Dezember) • Von 24. auf 25. Dezember • Von 31. Dezember auf 1. Jänner • Von 5. auf 6. Jänner Wenig geändert hat sich an den Mythen die sich rund um diese geheimnisvolle Zeit ranken. Meine Großmutter hat sich stets geweigert in den Rauhnächten Wäsche aufzuhängen, da dies Unglück für das kommende Jahr bringen könnte. Schon besser hat mir als Kind die Sage gefallen, dass in den Rauhnächten die Tiere sprechen könnten und man aus seinen Träumen die Geschehnisse für das kommende Jahr vorhersagen könne.
Solltet ihr auf den Geschmack gekommen sein, braucht ihr ein paar einfache Utensilien und Zutaten um auch in euren Wohnräumen zu räuchern: • Rauchpfännchen oder ein anderes feuerfestes Gefäß (alternativ kann auch eine nicht mehr benötigte Pfanne oder Schälchen verwendet werden) • Holzkohle und eine Zange für die Kohle • Etwas Sand auf dem die Kohle platziert wird (dies ist besonders wichtig, wenn keine Pfanne, sondern ein Schälchen verwendet wird) • Räucherstoffe (hier können beliebige Harze oder Kräuter verwendet werden, solltet ihr euch nicht sicher sein, welche Zutaten gut miteinander harmonieren, findet man im Internet zahlreiche Rezepte und auch Tipps welche Kräuter eine desinfizierende, klärende Wirkung usw. haben)
Die Utensilien zum Räuchern findet ihr zum Beispiel in der Buchhandlung Wallig in Radstadt. Wer gute Kräutermischungen sucht ist bei Anja Fischer und ihrem Blog Gänseblümchen und Sonnenschein genau richtig. Zuerst wird die Kohle erhitzt bis sie zu glosen beginnt, die richtige Temperatur erkennt ihr daran, dass sich eine weiß-graue Schicht um das Kohlenstück bildet. Jetzt kann das Räucherwerk auf die Kohle gelegt werden. Hier können, wie oben erwähnt, Zutaten ganz nach eurem Geschmack verwendet werden, achtet aber darauf nur natürliche Stoffe zu verwenden. Synthetische Duftstoffe könnten euer Riechsystem reizen. Nach dem Räuchern sollten die Räume gut gelüftet werden, um die Altlasten gemeinsam mit dem Rauch aus dem Haus ziehen zu lassen. Mit dieser kleinen Anleitung bleibt mir nur euch allen gutes Gelingen beim Räuchern zu wünschen sowie eine schöne Vorweihnachtszeit und frohe Festtage!

Info

Die Utensilien zum Räuchern findet ihr zum Beispiel in der Buchhandlung Wallig in Radstadt. Wer gute Kräutermischungen sucht ist bei Anja Fischer und ihrem Blog Gänseblümchen und Sonnenschein genau richtig.

Bildnachweis: Marlene Habersatter