Im Reich der Orchideen

Rund um die Aualm in Filzmoos blühen ganz besondere botanische Kostbarkeiten: Zu den 25 verschiedene und äußerst seltenen Orchideen, die es hier gibt, zählen unter anderem Waldhyazinthe, Knabenkraut oder Kohlröschen!Ein strahlend schöner Sommertag, leise plätschert ein Bächlein, auf der nahe gelegenen Alm wird fleißig gewerkt: Wir stehen mitten in der grünen Wiese. Ein paar Blüten, Kräuter und Gräser schaukeln im Wind. Die Kühe liegen widerkauend dazwischen. Nichts Ungewöhnliches zu beobachten! Oder etwa doch? Bergwanderführer Coen Weesjes von Filzmoos Aktiv schmunzelt: „Kaum jemand erwartet, auf einer Alm Orchideen. Die meisten haben die exotischen Blumen zuhause in der Wohnung stehen, aber in freier Natur sind sie tatsächlich relativ selten.“Der gebürtige Niederländer, der in Filzmoos seine Wahlheimat gefunden hat, führt interessierte Urlauber und Naturliebhaber zu den kleinen botanischen Kostbarkeiten rund um die Aualm und sein besonderes Anliegen ist es, Gästen den Blick für das Kleine und Schöne und Unscheinbare zu öffnen. Mit seinem Wissen wird plötzlich aus den paar Gräsern ein Heer von seltenen Blumen, Heilkräutern – und Orchideen!

Der Leckkogel in Filzmoos am Fuße der imposanten Bischofsmütze bietet die idealen Voraussetzungen für das Vorkommen von Orchideen: Hier vollzieht sich ein Gesteinswechsel von Schiefer zu Kalk mit sehr mageren Weiden und Moorwiesen. Der Gelbe Frauenschuh, der nach der Roten Liste als gefährdet gilt, wächst zwischen Hofpürglhütte und Hofalm zwischen 1.400 und 1.600 Metern Seehöhe. Ebenfalls im Gebiet der Aualm finden sich das eher unscheinbare Zweiblatt, das lilafarbene Fuchsknabenkraut und die Grünliche Waldhyazinthe, von denen es nur sieben Arten in Europa, aber über 50 Arten in Asien gibt. Viele der Orchideen sind klein, nur wenige Zentimeter hoch und offenbaren erst bei genauerem Hinsehen ihre ganze Schönheit. Besonders spannend an den Orchideen hier in den alpinen Höhenlagen ist, dass sie sich perfekt ihrer Umgebung angepasst haben. Sie kommen mit weniger Wärme aus. Weil es hier oben außerdem wenige Insekten oder Bienen gibt, die die Bestäubung übernehmen könnten, haben einige Orchideen wie etwa das Kohlröschen die Fähigkeit entwickelt, sich selbst zu klonen.

„Auf den Hängen des Leckkogels gibt es rund 25 verschiedene, zum Teil sehr seltene Orchideensorten. Das ist schon ziemlich einmalig und findet auch Erwähnung in der Fachliteratur“, weiß Coen Weesjes, der sich jedes Jahr auf die Suche nach den farbenprächtigen Schönheiten macht. „Wenn man selbst einen Gelben Frauenschuh oder das Steiermark-Kohlröschen entdeckt, ist das immer wieder ein ganz besonderer Augenblick, der einen mit Freude erfüllt. Und auch Gäste, die vorher mit Blumen nicht viel am Hut hatten, sind sofort fasziniert.“ Eine ganz besonders seltene Orchideenart wurde im Sommer 1904 erstmals im Ausseerland entdeckt: Das Steiermark-Kohlröschen. 1996 wurde es erstmals in Filzmoos gesichtet – der Leckkogel ist damit einer von nur zwölf Standorten, an denen die Pflanze wächst. „Ab Anfang Juli hat man die Chance, das Steiermark-Kohlröschen bei uns zu entdecken“, erzählt Coen Weesjes, bei dem im Sommer die Entdeckerlust erwacht. „In der Nähe der Sulzkaralm gibt es etwa eine Handvoll dieser wunderbaren Orchidee.“ Man muss nur die Augen offen halten.
Infos & Tipps: Das Aualmgebiet in Filzmoos ist leicht zu erreichen, die Wanderungen sind für Kinder und weniger Geübte ebenso geeignet. Filzmoos Aktiv bietet unter anderem geführte Touren unter dem Motto „Alpenblumen“ an.
Der Text entstammt aus dem Buch „Beste Aussichten im SalzburgerLand – 66 Lieblingsplätze und 11 Almhütten“ von Franziska Lipp (Gmeiner Verlag, 2014). Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Bildnachweis: Franziska Lipp