Die Bischofsmütze gilt als eine der prägnantesten Berggestalten der Österreichischen Alpen und steht imposant, völlig frei und schroff hoch über Filzmoos. Mit ihren 2.458 Höhenmetern ist sie nicht nur der höchste der ‚7 schönsten Gipfel der Salzburger Sportwelt’, er ist auch sicherlich der anspruchsvollste. Doch was zählen alle Mühen, wenn man endlich am Gipfelkreuz steht und auf ein Meer aus Bergspitzen blickt? Dann weiß man nur noch, dass man sich gerade am genau richtigen Ort befindet.
Endlich ist er da! Der große Tag, der Höhepunkt, auf den ich schon so lange hin fiebere. Seit ich mir in den Kopf gesetzt habe, die ‚7 schönsten Gipfel der Salzburger Sportwelt’ zu besteigen, war mir bewusst, dass die Bischofsmütze dabei die größte Herausforderung sein würde. Als höchster Berg des Gosaukammes im Dachsteinmassiv setzt sie sich imposant vom umliegenden Gebirge ab und auf vielen Touren der vergangenen Tage hatte ich einen herrlichen Blick auf den einzigartigen Doppelgipfel. Oft war sie zum Greifen nahe, dann wieder weiter entfernt. Jedoch war sie immer unverkennbar und die Vorfreude auf den heutigen Tag wuchs bei jedem Blick, den ich auf den 2.458 Meter hohen Berg werfen durfte. Auch wenn man gemeinhin immer noch von einer Wanderung spricht, stellt die Tour auf die Große Bischofsmütze selbstverständlich eine alpinistische Herausforderung dar, die man nicht unterschätzen sollte. Eine gewisse Erfahrung im Umgang mit dem Seil, absolute Schwindelfreiheit und Trittsicherung sind Voraussetzung, um sich und andere nicht in Gefahr zu bringen. Wenn man sich nicht sicher ist, ob dies auf das eigene Können zutrifft, sollte man auf die Erfahrung eines ortskundigen Bergführers zurückgreifen. So wie ich an diesem herrlichen Sommertag.
Über Stock und Stein zur Hofpürglhütte
Die ersten Vögel zwitschern schon fröhlich vor sich hin, als ich leise die Türe meiner Pension hinter mir zumache und mich auf den Weg Richtung Filzmoos mache. Auch wenn ich eigentlich nicht zu den Frühaufstehern zähle, finde ich es heute wunderschön, der Welt beim Aufwachen zuzusehen. Die ersten Berggipfel leuchten bereits im Sonnenlicht, als ich auf die Straße zu den Hochalmen und dem Gasthof Unterhofalmen abbiege. Als Hausberg von Filzmoos ist die Bischofsmütze das Wahrzeichen der Pongauer Gemeinde und ist aus dem Leben der Menschen hier nicht wegzudenken. Traditionell klettern die Einheimischen jedes Jahr am 15. August auf den Gipfel, trinken aus dem Jungbrunnen ‚Kamplbrunn’ zu seinen Füßen und verehren auch sonst ihre Königin Bischofsmütze, die neben König Dachstein über die Gegend wacht. Die Mautstraße ist noch kaum befahren und so dauert es nicht lange und ich parke mein Auto am vereinbarten Treffpunkt. Auch wenn ich überpünktlich bin, wartet Eduardo, mein Guide, schon auf mich und klopft mir zur Begrüßung herzlich auf die Schultern. „Auch wieder einmal hier?“, ruft er mir zu, während er seinen Rucksack und die Ausrüstung aus dem Auto holt. Bereits mehrere Male war ich in den vergangenen Jahren mit ihm unterwegs und ich vertraue ihm blind.
Während wir auf dem einfachen Schotterweg langsam der Bischofsmütze näherkommen, erzählt er ein bisschen über die geplante Route. Zuerst gilt es einmal, die Hofpürglhütte auf diesem Weg zu erreichen. Danach beginnt die eigentliche Tour auf den Berg. Wir werden den Normalweg durch die Mützenschlucht zum Gipfel nehmen. Auch wenn Einheimische immer wieder völlig ungesichert hinaufwandern, werden wir dabei fast die ganze Zeit auf Seilsicherung vertrauen. Der Steig ist gut mit Bohrhaken versehen und sollte also kein Problem sein. Gestern Abend habe ich noch in meinem Wanderführer gelesen, dass die Bischofsmütze wohl die „schwierigste Wanderstufe aufweist, die man noch ohne Klettererfahrung bewältigen kann, Alpinisten jedoch nur ein Lächeln abverlangen würde“. Na da bin ich einmal gespannt, mit welchen Maßstäben hier gemessen wird. Als wir schließlich die Hütte erreichen, steht die Sonne schon höher am Himmel und wir ziehen eine Schicht unserer Wandersachen aus und verstauen sie im Rucksack. Es scheint ein Traumtag zu werden. Gut, dass wir so zeitig aufgebrochen sind.
Der Steig zur Mützenschlucht
Der Weg hinter der Hütte ist zwar nicht markiert, jedoch sehr leicht zu erkennen. Noch ist unser Marsch relativ einfach und wir gelangen schnell auf die nächste Geländestufe. Direkt vor uns ragt der massive Doppelgipfel in die Höhe. Seinen Namen hat die Bischofsmütze übrigens wegen seines charakteristischen Aussehens, das an die Kopfbedeckung der mächtigen Fürsterzbischöfe von Salzburg erinnert. Eduardo teilt sein Wissen mit mir und erzählt, dass der Berg früher Gosauer Stein genannt wurde und genau die Grenze zwischen Filzmoos und Annaberg-Lungötz ausmacht. Erstmals bestiegen wurde er am 22. September 1879 von den beiden Alpin-Pionieren Johann Anhäusler und Johann Steiner. Immer mehr Steine liegen auf dem grasbedeckten Hang, der nach und nach unter dem Geröll verschwindet. So muss es auf dem Mond aussehen!
Der 22. September 1993 war ein schwarzer Tag für die Bischofsmütze. Ein massiver Felssturz erschütterte den Berg und riss einen 200 Meter hohen Pfeiler aus der Wand. Dies veränderte nicht nur das Aussehen nachhaltig, es reduzierte auch die Kletterrouten von 30 Möglichkeiten auf die heutigen 15. „Bis heute kommt es zu Nachstürzen, weshalb wir ab jetzt unbedingt unsere Helme aufsetzen sollten“, erklärt mir mein Bergführer und kontrolliert, ob mein Verschluss auch richtig eingerastet ist. Etwas über 2.100 Meter erreichen wir die erste Engstelle. Ab jetzt geht es zur Sache. An schwierigen Stellen übernimmt Eduardo die Seilsicherung und immer wieder müssen wir kurz zum Klettern übergehen. Es ist jetzt nicht so, dass wir uns hier in der Wand befinden, aber man muss schon vorsichtig sein und jeden Schritt und jeden Tritt gut überlegen. Spätestens jetzt bin ich froh, einen erfahrenen Profi an meiner Seite zu haben, auf den ich mich verlassen kann. Denn jetzt wartet die Schlüsselstelle: Der Einstieg in die Südschlucht.
Hochgefühl beim Gipfelkreuz
„Das ist ein 3er, die schwierigste Stelle hier am Berg“, ruft Eduardo und sichert mich versiert von unten. Der mehrere Meter hohe Felsen, auf dem ich mich gerade befinde, ist auch gleichzeitig der Einstieg in die südliche Mützenschlucht und verlangt so ziemlich alles von mir ab. Mit Händen und Füßen klettere ich nach oben und wage es nicht, nach unten zu blicken. Gott sei Dank ist sie schnell vorbei und nach einer weiteren schwierigen Stelle wird es dann auch wieder deutlich leichter. Als wir die Scharte zwischen den Gipfeln erreichen, taucht die Sonne erneut hinter den Felsen auf und vor uns öffnet sich ein herrlicher Blick nach Norden. Zeit, einen Schluck Wasser zu trinken und danach den Gipfelsturm in Angriff zu nehmen. Da der Weg von nun an immer wieder ausgesetzt ist und meine Kräfte auch schon merklich schwinden, verzichten wir bis ganz oben nicht mehr auf unser Seil. Auch wenn versierte Bergsteiger hier sicher ungesichert gehen würden. Am Gipfelkreuz angekommen fällt dann die Anspannung der letzten Stunden von mir ab und ich umarme meinen wunderbaren Bergführer und bedanke mich bei ihm für dieses unvergessliche Erlebnis. Der Blick hier oben ist sagenhaft.
Was habe ich alles in den letzten Tagen hier in der Salzburger Sportwelt erleben dürfen? Sieben Gipfel, unterschiedlich und jeder für sich einzigartig und wunderschön. Sieben Touren, die mich jeden Tag aufs Neue herausgefordert haben und mir den Reiz und die Erhabenheit der Berge Mal für Mal gezeigt und nähergebracht haben. Die Besteigung der ‚7 schönsten Gipfel der Salzburger Sportwelt’ ist wahrlich ein großes Abenteuer und ich bin überglücklich, diese Herausforderung angenommen zu haben. Denn jetzt stehe ich hier oben, am Gipfel der Bischofsmütze! Habe Freudentränen in den Augen und blicke auf all die Berge, auf denen ich stehen durfte. Dankbarkeit, das ist das Wort, das mir jetzt in den Sinn kommt. Ich setze mich neben das Gipfelkreuz, nehme das Gipfelbuch aus seinem Schutzkasten und schreibe meine Geschichte für die Nachwelt hinein. Wie viele Menschen mögen wohl seit der Erstbesteigung hier oben gewesen sein. Wie viele Lebensgeschichten mag dieser Berg, mögen alle Berge dieser Region, wohl schon geprägt haben. Es werden unzählige sein. Von einer weiß ich allerdings ganz genau. Von meiner eigenen!
Was ich von der Bischofsmütze mitnehme:
- Bereits am Gipfel sind Anstrengung und Mühen des Aufstiegs vergessen
- Am Mond muss es besonders schön sein
- Wenn man sich erst ans Anseilen gewöhnt hat, macht es richtig Spaß
- Vertrauen gehört zu den wichtigsten Dingen im Leben
Bildnachweis: Peter Zeitlhofer
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