Eine Wanderung auf den Spirzinger ist immer eine besondere Erfahrung. Unglaubliches Panorama, tiefgrüne Wälder, einladende Almhütten und die unberührte Natur machen die Bergwelt hoch über Flachau so einzigartig. Wenn man dann auch noch in der Südwiener Hütte übernachtet, Bergfreundschaften schließt und am frühen Morgen am Gipfel steht und der Natur beim Aufwachen zusehen darf, dann wird man dieses Erlebnis sicherlich nie mehr vergessen. So wie ich an diesem herrlichen Sommertag im August …
Wie verzaubert stehe ich am Gipfel, drehe mich langsam im Kreis und kann es nicht fassen, ganz alleine an einem so schönen Ort zu sein. Rund um mich erheben sich die stolzen Spitzen der Berge im goldroten Licht der aufgehenden Sonne und tauchen meine wunderbaren Eindrücke in mystisches, fast unwirkliches Licht. Vor etwas mehr als einer Stunde riss mich das Läuten des Weckers aus den süßesten Träumen und beim Blick aus dem Fenster konnte ich es nicht glauben, dass die Nacht für mich an dieser Stelle bereits vorbei sein sollte. Doch was macht man nicht, um besondere Augenblicke erleben zu können. Schnell rein in die warmen Wandersachen, die festen Schuhe geschnürt, und schon habe ich die Südwiener Hütte, meine gemütliche Unterkunft, hinter mir gelassen. Mittlerweile graute auch der Morgen und beim Blick auf den pyramidenartigen Berg vor mir waren die Nachwirkungen des Schlafes wie weggeblasen. Morgenstund hat Gold im Mund, sagt man ja gemeinhin. Da ist was Wahres dran. Denn der Natur beim Aufwachen zuzusehen, die Sonne und die Berge in den Tropfen des Morgentaus gespiegelt zu sehen, frische Bergluft zu atmen und dabei selbst Teil dieses Lebens hier zu sein – das ist etwas ganz Besonderes.
Gestern zu Mittag. Gemütlich sitze ich in einem Gastgarten in Flachau, genieße den Schatten der mächtigen Bäume und denke die vor mir liegende Tour ein letztes Mal durch. Mit dem Finger ‚wandere’ ich bereits über die Karte und merke mir die Stellen und Gabelungen, an denen ich den richtigen Weg nehmen sollte, um wirklich an mein Ziel zu kommen. Die Südwiener Hütte und morgen dann den Gipfel des Spirzingers. Wandern in den Bergen hier in der Salzburger Sportwelt ist an sich schon ein Erlebnis, dabei aber auch noch auf einer der Hütten zu übernachten, setzt dem Ganzen die Krone auf. Der Spirzinger mit seinen 2.065 Höhenmetern soll einer der schönsten Aussichtsberge weit und breit sein und darf bei meinem Vorhaben, die ‚7 schönsten Gipfel’ der Region zu ersteigen, auf keinen Fall fehlen. Nachdem die nette Dame von der Touristen-Info dann noch in den allerhöchsten Tönen von der Südwiener Hütte und den Hüttenwirten gesprochen hatte, war der Entschluss schnell gefasst, erstmal dorthin aufzusteigen und den ‚Gipfelsturm’ am frühen Morgen zu machen. Nachdem ich mein Auto bei der Kapelle bei der Gasthofalm im Talschluss von Flachau zurückgelassen hatte, beginnt der Marsch durch dichte, schattige Wälder in Richtung Unterbichlhütte. Dann und wann überquere ich idyllische Almen, sehe den Kühen beim Grasen zu und sinniere darüber, was wir Menschen von diesen sanften Tieren wohl alles lernen könnten. Die Sonne steht hoch am Himmel und so freue ich mich über jedes schattige Waldstück, durch das ich marschieren darf. In der Unterbichlhütte stille ich kurz meinen Durst und halte Ausschau nach den Murmeltieren, die man hier immer wieder zu Gesicht bekommen soll. Leider habe ich heute kein Glück mit den kleinen Nagern und so bin ich schnell zurück am Weg in Richtung meines heutigen Zieles.
Wenige Stunden Schlaf in der Südwiener Hütte
Nach rund vier Stunden Wanderung und vielen Einblicken in die wunderbare Natur der heimischen Bergwelt taucht nach einer sanften Wegkuppe die Südwiener Hütte (1.802m), oder wie sie hier oben genannt wird, die Süwie, auf. Am Fuße des Spirzingers liegt sie eingebettet in die natürlichen Gegebenheiten im Sonnenlicht und ist nicht nur von Flachau, sondern auch von der Gnadenalm zwischen Ober- und Untertauern aus gut zu erreichen. Außerdem liegt sie am Weitwanderweg 02, Enzianweg, Arnoweg und dem Genießerweg. Schmuckes, dunkles Holz, grüne Fenster und rot-weiße Fensterläden – genau so stelle ich mir eine Almhütte in den Bergen vor. Auf der Weidefläche vor der Hütte trotten gemächlich ein paar Kühe und hoch über mir zieht ein Adler seine weiten abendlichen Kreise. Ein Bild für Götter! Mit einem freundlichen ‚Servus’ begrüßt mich Familie Scharler in ihrem Reich und serviert mir Kaffee zur Begrüßung. Seit fast 90 Jahren gibt es die Hütte mittlerweile und ich kann mir kaum vorstellen, wie viele Wanderer hier schon vor mir Unterkunft fanden. Im Winter ist sie ein beliebtes Ziel von Skitourengehern. Das muss ich unbedingt einmal tiefverschneit erleben! Vor dem Abendessen freunde ich mich noch mit ein paar anderen Wanderern an und wie es so ist, tauscht man Erfahrungen aus und gibt Tipps, wo in der Gegend man noch überall vorbeischauen muss. Vor dem Abendessen bringe ich meinen Rucksack in mein Lager und ziehe mir komfortablere Sachen an. Klar, eine Hütte in den Bergen kann man nicht mit einem Hotel im Tal vergleichen, trotzdem bietet die Südwiener Hütte alles, was man braucht. Saubere Waschräume, Betten und eine gemütliche Stube, in die uns der Geruch des fertigen Essens wenig später lockt. Und es schmeckt herrlich! Am Stammtisch sitzen wir später dann noch zusammen, sehen uns die alten Hüttenbücher an und stellen uns vor, wie das Leben vor vielen Jahrzehnten wohl ausgesehen haben mag. Auch wenn es sicher lustig wäre, noch länger zu plaudern, packe ich bald meine Sachen und begebe mich zur wohlverdienten Ruh. Schließlich weiß ich, dass der Wecker in wenigen Stunden zum Aufbruch mahnen wird.
Über den Grat zur Spitze
Und das macht er. Gnadenlos! Um Punkt fünf Uhr heißt es Tagwache. Der Aufstieg auf den Gipfel des Spirzinger gestaltet sich steiler als der gestrige Weg und auch wenn er nicht gefährlich ist, sollte man ein gesundes Maß an Trittsicherheit mitbringen. In engen Schleifen schlängelt sich der Hohlweg durch dichte Latschen nach oben und gibt an so mancher Stelle Blicke nach oben und zurück zur Hütte frei. Scheinbar schlafen noch alle. Nach rund einer halben Stunde gelange ich an ein Wegkreuz am Grat des Berges. Nach rechts könnte man von hier aus auf das Spatzeck wandern. Doch ich will jetzt erst einmal zum Gipfelkreuz, das man am Ende des Grates schon in der frühen Sonne glitzern sieht.
Der Weg dorthin ist imposant, relativ flach und leicht zu gehen. Immer wieder bleibe ich stehen, mache Fotos und kann mich am Panorama auf die umliegenden Berge und die aufgehende Sonne einfach nicht satt sehen. Der Gipfel selbst ist relativ sanft und weitläufiger als angenommen. Sieht er von unten aus wie ein Spitz, findet man oben genug Platz herumzugehen, von verschiedenen Seiten die Bergwelt zu bewundern oder sich ganz einfach einen Platz zum Jausnen zu suchen. Ich schreibe mich ins Gipfelbuch ein, erzähle so der Nachwelt von ‚meinen’ 7 Gipfeln und freue mich im Geiste bereits auf die Abenteuer, die noch vor mir liegen. Wenn diese auch nur annähernd so toll sind wie das, was ich gerade erleben darf, dann wird das eine unvergessliche Zeit. Das Knurren in meinem Magen holt mich unsanft zurück in die Realität. Stimmt, ich habe ja noch gar kein Frühstück gehabt. Na dann – Aufbruch! Fast schon zurück bei der Hütte, begegne ich einem der Wanderer von gestern Abend, der sich seinerseits gerade auf den Weg zur Spitze macht. Nach einem kurzen Plausch wünschen wir uns alles Gute und gehen beide unserer Wege. Für mich geht’s zurück zur Süwie, wo schon das Frühstück auf mich wartet, und dann weiter über die Scharfetthütte zurück ins Tal.
Was ich vom Spirzinger und der Südwiener Hütte mitnehme:
- Zeit spielt in den Bergen eine viel kleinere Rolle als unten im Tal
- Freundschaften werden über 1.000 Höhenmeter wohl schneller geschlossen
- Murmeltiere zeigen sich nur dann, wenn sie darauf Lust haben
- Wecker sind über 1.000 Höhenmeter ebenso nervig wie im Tal
Bildnachweis: Peter Zeitlhofer
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